7 Fragen in 7 Minuten #15 – mit Jens Lang und Thomas Heitzenröder
Dr. Jens Lang, Leiter Personal- und Führungskräfteentwicklung und Thomas Heitzenröder, Führungskräfteentwicklung und -instrumente, DB Fernverkehr AG
Jens und Thomas betreuen die Führungskräfteentwicklung beim DB Fernverkehr und haben Antworten auf die Frage gefunden, wie aktuelle Trends zum Thema Führung sinnstiftend miteinander in Bezug gesetzt werden können. Aus diesem Grund wurden sie als Speaker zum Leadership Summit ausgewählt, der in diesem Jahr in Frankfurt stattfindet – hier könnt ihr euch anmelden. In unserem Interview vorab geben sie erste Einblicke, was unter ihrem Ansatz der Regenerativen Führung zu verstehen ist.
Die Bahn und der DB Fernverkehr stehen für die Zukunft der Mobilität und doch: Ein Negativimage in der öffentlichen Meinung ist unbestreitbar. Wie geht ihr damit um und was treibt euch bei eurer Arbeit an?
Thomas: Es gibt ein Problem mit der betrieblichen Performance – ganz klar. Aber wir arbeiten als Team DB jeden Tag intensiv daran, dass es bald wieder betrieblich stabiler läuft und lassen uns davon nicht ausbremsen. Denn eins muss klar sein, eine funktionsfähige Bahn ist Grundstein für die Verkehrswende.
Jens: Für uns ist dabei eines besonders wichtig: HR ist nicht nur für das ‚S‘ in ESG verantwortlich. In diesem Zusammenhang stellen sich uns zwei Herausforderungen:
- Wie können wir HR-Funktionen und Nachhaltigkeit miteinander verbinden? Und:
- Wie können wir blutleere Führungskonzepte durch wirksame Führungsinstrumente ablösen und auch auf dieser Ebene den Nachhaltigkeitsgedanken verankern?
Ist das die gedankliche Brücke zu eurem Ansatz der „Regenerativen Führung“?
Jens: Genau. Für uns hängen Nachhaltigkeit und Führung auf mehreren Ebenen zusammen: Denn sowohl beim Thema Verkehrswende als auch bei der Frage der Arbeitskultur geht es letztlich um Achtsamkeit im Umgang mit den verfügbaren Ressourcen. Als „Green Mobility“ Anbieter mit weniger als 1 gr. CO-Ausstoß pro Personenkilometer sehen wir da einen engen Zusammenhang mit unserem Geschäftsmodell.
Thomas: Es gibt den alljährlichen Overshoot Day, wobei sich wohl jede Führungskraft schon mal gefragt hat: Wann ist mein persönlicher Overshoot Day? Wir hatten deswegen den Anspruch unseren Führungskräften zu signalisieren, dass beide Themen zusammengehören und spielen deswegen ganz bewusst mit den Bedeutungsebenen: Regenerative Führung bedeutet, Nachhaltigkeit im Unternehmen und Nachhaltigkeit beim Führen der Mitarbeitenden zu leben. Beides gehört für uns zusammen.
Wenn ihr einen Ratgeber zu diesem Thema schreiben würdet, wie würde der Buchtitel lauten und was wäre die Kernbotschaft?
Jens: „Regenerative Führung: Esoterische Träumerei oder wirksames Führungsinstrument?“ – wäre mein momentaner Arbeitstitel (lacht). Für uns ist Führung Inspiration und Handwerk zugleich. Inspiration ohne Handwerk kann schnell zu Träumerei werden – wie auch Handwerk ohne Inspiration schnell zu Bürokratie degenerieren kann. Kurzum: Auf der einen Seite brauchen Führungskräfte die Fähigkeit, ihr Team durch eine Vision zu vereinen. Auf der anderen Seite müssen sie aber auch „Basics“ wie Mitarbeitergespräche professionell führen können. Beide Seiten der Medaille gehören untrennbar zueinander!
Welche Superkraft braucht man denn als Führungskraft beim DB Fernverkehr, wenn plötzlich gestreikt wird?
Thomas: Dazu gibt es natürlich massenhaft Literatur, Theorie und Modelle. Am Ende bleibt es bei einer klassischen Führungskompetenz: Entscheidungen treffen unter Unsicherheit. Das bedeutet: sich entscheiden im vollen Bewusstsein darüber, welche Nachteile damit entstehen.
Erlaubt mir eine ketzerische Zwischenfrage: in Anbetracht dieser Kompetenz könnte man verleitet sein zu sagen: am Ende bastelt HR immer am Wording, ohne dass es inhaltliche Veränderungen gibt.
Jens: Die Kunst liegt darin, klassische Führungskompetenzen und das Bewusstsein über Selbstwirksamkeit mit aktuellen Trends zu verbinden und die Zielgruppen generationsübergreifend zu erreichen. Die Frage des Framings ist für uns deswegen ebenso virulent wie die Frage, welche Fähigkeiten Führungskräfte dabei lernen. Hier ist zum Beispiel unser 50 Prozent-Ziel ein gutes Beispiel.
…weil beim DB Fernverkehr Führungskräfte 50 Prozent der Zeit für Führung aufwenden sollen? Sollten es nicht 100 Prozent sein?
Thomas: Ein 100 Prozent-Ziel ist gar nicht möglich, denn ein gewisser administrativer Aufwand wohnt jeder Aufgabe inne. Wir wollen mit den 50 Prozent-Ziel ein Signal setzen, damit unsere Führungskräfte vor Ort einen differenzierteren Blick auf ihre Aufgaben richten und beispielsweise verstehen: Das Mitarbeitergespräch ist eine Führungsaufgabe, aber das Ausfüllen und Vergleichen der dafür notwendigen tabellarischen Übersichten nicht. Eine unserer Kernbotschaften lautet hier: wir brauchen mehr direkten Kontakt mit den Mitarbeitern – Bürokratie allein ist noch keine Führung.
Tell me something I don’t know: Was weiß (fast) niemand über euch?
Thomas: Ich leite nebenbei noch einen Familienbetrieb, einen Campingplatz mit Badesee und Restaurantbetrieb (lacht) – im Sommer haben wir bis 20 Angestellte. Das ist etwas, worauf ich extrem stolz bin und was mir sehr viel Freude bringt.
Jens: Dass ich mich gerne neu erfinde: Vor Jahren stand ich einmal in der beruflichen Sackgasse und musste mich neuorientieren. Im ersten Moment war das beängstigend – aber dann kam ziemlich schnell die Einsicht: Das ist eine große Chance und Abenteuer. Ich bin daraufhin ins Silicon Valley und bin eingetaucht in das Ecosystem mit seinen Netzwerken in Palo Alto – das war extrem inspirierend und von diesen Erfahrungen profitiere ich noch heute.
Das Interview führte Dr. Elias Güthlein
Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP)
Die Deutsche Gesellschaft für Personalführung e.V. (DGFP) ist seit 1952 das Kompetenz- und Karrierenetzwerk für HR-Begeisterte. In unserem Netzwerk engagieren sich DAX-Konzerne ebenso wie kleine und mittelständische Unternehmen, renommierte Wissenschaftsorganisationen und Beratungen, sowie zahlreiche Persönlichkeiten aus dem Personalmanagement. Mit unseren Mitgliedern und Partnern arbeiten wir an aktuellen Trends und HR-Themen, begleiten Personaler in ihrer Karriere und sind die Stimme des Personalmanagements gegenüber Politik und Gesellschaft. Der persönliche Erfahrungsaustausch steht im Zentrum unserer Arbeit. Dazu organisieren wir bundesweit rund 100 Erfahrungsaustausch-Gruppen, bieten diverse Veranstaltungsformate digital und in Präsenz an und bündeln in unseren Publikationen sowie Studien aktuelles HR-Wissen. Gemeinsam gestalten wir so die Arbeitswelten von heute und morgen.
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