7 Fragen in 7 Minuten #5 – mit Nadine Dopke und Marc Brandt
Über Grabenkämpfe, gemeinsame Ziele und Best Practices
Nadine Dopke und Marc Brandt sind auf den ersten Blick sehr unterschiedlich. Das zeigt sich auch in ihren beruflichen Rollen: Nadine vertritt beim Paketdienstleister Hermes Human Resources (HR), Marc den Betriebsrat (BR). Damit gehören sie zu rivalisierenden Lagern – scheinbar. Denn tatsächlich verstehen sie sich verdammt gut. In 7 Fragen in 7 Minuten gibt das Tandem einen ersten Vorgeschmack auf ihren Talk auf der DGFP // Jahrestagung Mitbestimmung 4.0 am 7.,9., 14. und 16. Februar 2023. Sie sprechen über Grabenkämpfe, gemeinsame Ziele und Best Practices. Und wie immer erzählen sie uns zum Schluss, was sie sonst niemanden erzählen.
Liebe Frau Dopke, lieber Herr Brandt, Betriebsrat und HR arbeiten oftmals eng zusammen. In welchem Thema oder welcher Zielsetzung sehen sie die größten Gemeinsamkeiten und Synergien?
Marc Brandt Die Arbeitswelt von morgen sinnvoll so zu gestalten, dass beide Seiten – im optimalen Fall alle drei Seiten – glücklich sind. Das ist die Grundaufgabe von Mitbestimmung für mich.
Nadine Dopke Das kann ich so unterschreiben. Vielleicht greife ich jetzt schon etwas vor, aber das ist der Grundstein unseres Erfolgs in der Zusammenarbeit. Wir haben eine Situation geschaffen, in der wir von beiden Seiten im Sinne der Mitarbeitenden und im Sinne des Unternehmens denken. Und eben nicht nach dem Vorsatz gehen, der eine vertritt die Arbeitgeberseite und der andere die Arbeitnehmerseite – beide Seiten sind gleichermaßen in der Lage einen Perspektivwechsel einzunehmen. Das ist völlig unabhängig vom Thema, weil alles auf dem Grundstein gegenseitigen Verständnisses aufbaut.
Brandt Wir leben ja nach den Regeln, die wir bauen; am Ende des Tages sind wir selbst Mitarbeiter. Wir bauen das nicht für Dritte oder müssen uns mit den Folgen eines Beschlusses nie wieder beschäftigen, gegenteiliges ist der Fall. Aus diesem Grund kann es funktionieren.
Nun mal von der anderen Richtung gefragt: Obwohl es damit viele Schnittmengen gibt, besteht immer auch Diskussionsbedarf. Was sind ihrer Meinung nach die häufigsten Ursachen?
Brandt Missverständnisse.
Dopke Genau: Nicht ausgefeilte Kommunikation, kein offenes Sprechen, fehlende Ehrlichkeit.
Brandt Dafür ist es wichtig, den Freiraum zu haben, auch mal außerhalb des Protokolls zu reden. Etwas, was ich vielleicht nie vor der Belegschaft, meinem Personalchef oder meinem Vorgesetzten sagen würde, im vertrauten Gespräch trotzdem mal zu sagen, gibt meinem Gegenüber die Chance, meine Perspektive besser zu verstehen.
Dopke Vertrauen ist ein gutes Stichwort. Es braucht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen HR und BR und wenn es an dieser Basis fehlt – das ist der Umkehrschluss und beantwortet hoffentlich Ihre Frage – ist das schwierig. Ohne Vertrauen geht es nicht.
Brandt Das heißt aber nicht: Kuschelkurs, sondern: hart und fair in der Sache, aber nie respektlos.
Dopke Nie.
In welchen Situationen wünschen Sie sich für Ihre Positionen mehr Verständnis?
Brandt Wenn ich von mir als Person ausgehe, kann ich sagen: Ich fühle mich wertgeschätzt und es gibt keine „offenen Baustelle“. Und wenn, dann spreche ich das an. Sobald ein Störgefühl auftritt, artikuliere ich es. Das das ist allerdings sehr selten der Fall – gerade zwischen Nadine und mir, was natürlich auch daran liegt, dass wir mittlerweile schon seit sechs Jahren zusammenarbeiten und viele Themen bewegt haben. So verhält es sich aber auch mit vielen anderen in der Personalabteilung. Daran muss man stetig arbeiten, gerade bei Personalwechseln, die wir zurzeit bei uns im Unternehmen erleben, oder eben im Falle von Betriebsratswahlen.
Dopke Aus meiner Perspektive agieren Personaler immer aus einer Sandwich-Position, d.h. auf der einen Seite sind Personalleitung, Personalstrategie und der Fachbereich und auf der anderen Seite steht der Betriebsrat. Ergo: Das, was der Personaler will, will er in vielen Fällen nicht, weil er es selbst „so schön“ findet. Die Impulse kommen in der Regel aus dem Fachbereich oder aus dem Business. Und das ist der ausschlaggebende Punkt: Wenn ich etwas von Marc in seiner Rolle als Betriebsrat möchte oder bestimmte Themen anstehen, dann erledige ich das immer auch im Auftrag von jemanden. Ggf. bin ich dabei gezwungen, eine Rolle einzunehmen, die ich selbst „blöd“ finde. Marc und ich kennen uns nun aber schon lange genug und eben auch in diesen speziellen Rollen, sodass wir gegenseitiges Verständnis mitbringen. Trotzdem sind solche Situationen eben besonders komplex und herausfordernd für das gegenseitige Verständnis. Und wie Marc schon richtig gesagt hat, ist es in diesen Situationen hilfreich, wenn wir kurz außerhalb des Protokolls sprechen und ich von meiner Seite mal sagen kann: Marc, weißt du was? Ich finde das selbst blöd, aber meine Aufgabe ist es nun mal auch diesen Standpunkt vertreten zu können.
Was möchten Sie den Teilnehmenden mit ihrem Case bei der DGFP-Veranstaltung zur Mitbestimmung 4.0 auf den Weg geben?
Brandt Es geht nur zusammen – also zusammen für eine Sache oder für eine Lösung ringen; miteinander arbeiten geht leichter als gegeneinander. Positionen niederzukämpfen, das ist das alte Denken, das noch vor 16 Jahren, als ich beim BR angefangen habe, vorherrschend war. Damals hieß es: die dunkle Seite ist der Personalbereich/Arbeitgeber und wir sind die gute Seite der Macht. Und nach diesem Motto sind wir in die Schützengräben gestiegen und haben geschaut, wie viele Millimeter wir von der Gegenseite kriegen. Das ist nicht nur mühselig, so ein Vorgehen endet immer in Kompromissen, unter denen letztlich alle massiv leiden. Ich finde es wesentlich produktiver, gemeinsam auf Lösungen zu schauen und dann im Hinterkopf zu behalten, dass ich auch Auftraggeber oder Klienten habe, für die ich das mache. Kurz gesagt: Lösungen bauen und keine faulen Kompromisse.
Dopke Ich würde mitgeben, Mut zu haben, Dinge anders zu machen, sich mehr zu trauen und dem anderen mehr zu vertrauen. Das heißt in der Praxis dann eben auch, nicht immer nur darauf zu schauen, was ich sagen oder worüber ich informieren muss oder welches Thema eine zwingende Mitbestimmung oder zwingenden Informationsbedarf erfordert, sondern einfach offen über alle anstehenden Themen zu sprechen – unabhängig davon, ob ich muss oder sollte; einfach mal machen. Das erfordert natürlich Mut, Mut anderen zu vertrauen.
Brandt Formate schaffen, auch das ist wichtig. Denn der regelmäßig niedrigschwellige Austausch hilft, den Menschen hinter der Rolle kennenzulernen. Wir machen zum Beispiel zweimal die Woche Stand Up mit dem Personalrat und allen Betriebsräten. Wer will, kommt – 15 Minuten quick and dirty, keine deep dives. Dadurch haben wir zu jeder Person ein Gesicht und jeder hat mit jedem gesprochen. Vor Corona war das auch in Präsenz möglich. Da standen wir mit 30 Leuten in einem Kreis und haben kurz darüber geschnackt, was ansteht. Das hat das Verständnis für einander enorm bereichert, weil es einen persönlichen Bezug schafft. Es gibt nicht nur Namen, „das ist nicht der Herr Güthlein“ (lacht), sondern: „das ist der Elias“. Elias sieht so und so aus und den grüße ich auch mal. Auf diese Weise sehen wir uns mehr als Menschen als in Rollen. Aber wir vergessen auch nicht, dass wir Rollen haben.
Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden sie mit Blick auf das Thema der betrieblichen Mitbestimmung und HR ändern?
Brandt Ich bin mit dem status quo sehr zufrieden und würde aktuell nichts ändern. Wenn die Frage darauf abstimmt, ob im Gesetz irgendwas geändert werden sollte – nein: Das Gesetz lässt genügend kreativen Interpretationsspielraum zu, um all das zu gestalten, was an Aufgaben vor mir liegt. Man muss nur kreativer lesen.
Dopke Dem kann ich nur zustimmen.
Wenn ich in meiner Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat/ HR eines gelernt habe, wäre das…
Dopke … unsere Interessen gar nicht so verschieden sind. Es sind zwar unterschiedliche Blickwinkel, sicherlich, aber: gemeinsam kommen wir weiter als allein. Und in diesem Zusammenhang muss es auch positive Reibereien geben dürfen und man darf den anderen auch mal „blöd“ finden (Marc nickt schmunzelnd). Das gehört alles mit dazu, bedeutet aber nicht, dass ich Marc grundsätzlich blöd finde, nur weil wir mal unterschiedlicher Meinung sind. Man muss den Mut haben, unterschiedliche Meinungen zu vertreten, mit dem Ziel – das ist entscheidend – eines gemeinsamen Ergebnisses. Für mich bedeutet das, sich nicht auf das Gesetz zu versteifen, sondern auf einer sehr vertrauensvollen Basis auf das gleiche Ziel hin zu arbeiten. Und das haben wir: Wir wollen ein guter Arbeitgeber und ein gutes Unternehmen sein.
Brandt Für mich bestand die größte Lernkurve in der Erkenntnis, Rolle und Person zu unterscheiden und zwar sehr bewusst zu unterscheiden, bedeutet: Wir können uns in den Rollen „zoffen“, aber ich „zoffe“ mich nicht mit Nadine. Und das ist etwas, was ich immer wieder erlebe: Dass es vielen noch nicht bewusst ist und diese Klarheit fehlt. Letztlich ist es gut, dass wir konträre Mandate haben, das bereichert nämlich auch die Lösung, weil wir von zwei unterschiedlichen Blickwinkeln und aus unterschiedlichen Erfahrungen heraus auf denselben Gegenstand schauen. Vor diesem Hintergrund war es für mich der größte Sprung, vom „die da“ zum „wir“ zu kommen. Auf die andere Seite zu schimpfen, löst nichts (Nadine nickt zustimmend).
Was fast niemand über mich weiß, …
Brandt Etwas, das ich keinem erzählen möchte?
Es muss nicht zwangsläufig etwas Delikates sein.
Brandt Also für mich ist es schon etwas delikat, was ich jetzt erzähle: Die erste Platte, die ich als Hardcore Queen-Fan gekauft habe, war von der „Münchner Freiheit“ (beide lachen). Das ist mir jetzt schon hochrot peinlich.
Dopke Also etwas ganz so Peinliches habe ich spontan nicht auf Lager (beide lachen), aber: Ich bin mit einem Vater aufgewachsen, der ein ganz großer HSV-Fan ist und damit hängt mein Herz im Volksparkstation beim HSV. Ich gehe gern ins Stadion, habe früher selbst Fußball gespielt und war auch Trainerin von einer kleinen Mädchen-Fußballmannschaft.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Elias Güthlein.
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