7 Fragen in 7 Minuten #7 – mit Dr. Christian Mencke
Über Alumni-Arbeit in Unternehmen und seine größten Learnings
Dr. Christian Mencke ist Experte in der Alumni-Arbeit und bringt dafür nicht nur Praxiswissen, sondern auch Theorieverständnis mit – in seiner Doktorarbeit hat er über „Vertrauen in (den Netzwerken) der Gesellschaft“ promoviert. Inzwischen arbeitet er seit über 16 Jahren für SAP und wird im Rahmen unseres Kompetenzforum Offboarding und Alumni Management am 15.02.23 auftreten. Wir haben vorab mit ihm über seine Arbeit, Learnings und Trends gesprochen; und natürlich darüber, was er sonst niemanden erzählt.
Aus Ihrer persönlichen Sicht: Welchen Stellenwert hat die Alumni Arbeit in deutschen Unternehmen?
Dr. Christian Mencke Einen „Zunehmenderen“: Das Thema Offboarding & Alumni Experience emanzipiert sich gerade in erfreulicher Weise. In der bisherigen Wahrnehmung war es immer ein hässliches Entlein und es wurde mir oft die Frage gestellt, warum man ausgerechnet denen hinterherrennen sollte, die das Unternehmen doch verlassen haben. Inzwischen findet ein Umdenken statt: Alumni Relations ist Teil der HR-Strategie und ebenso wichtig wie z. B. Candidate Experience & Onboarding. Dennoch: In der gelebten Unternehmenspraxis führt sie im Vergleich zu anderen HR-Themen immer noch ein gewisses Mauerblümchendasein; vielleicht können wir daher am 15.2. gemeinsam noch ein wenig wässern und düngen (lacht).
Was sind drei gute Gründe für Unternehmen ihre Alumni Arbeit ernster zu nehmen?
Mencke Erstens: Authentizität; zweitens: Skalierung und drittens: Future of Work. Was meine ich damit?
Effektivität durch Authentizität: Was immer ein Alumni-Netzwerk da draußen bewegen soll – mehr Boomerang Hires und Talent Referral, Brand & Product Am-bassdorship, externes Sounding Board und Feedback-Quelle für das Unternehmen oder ähnliches – man kann hier auf eine Community zählen, die in all diesen Kontexten als ausgesprochen authentisch und vertrauenswürdig wahrgenommen wird. Hinter jeder Aussage steht ja ein Mensch mit seiner ganz persönlichen Employee- und Alumni-Experience, und die trägt er unter Einsatz seiner ganzen sozialen Reputation in das Netzwerk. Da bleibt kein Raum zum Phrasen dreschen, und genau das wissen eben auch alle anderen in der Community, die dem Feedback deswegen auch eher vertrauen können.
Effizienz durch Skalierung: Man sollte wirklich nicht unterschätzen, wie massiv sich Potentiale von „word-of-mouth“ in einem Netzwerk und darüber hinaus entfalten können. Kleiner Aufwand führt hier sehr oft zu enormem Ertrag. Wir werden uns im Februar ein paar Zahlen dazu anschauen.
Strategischer Impuls in Richtung Future of Work: Wir sehen alle, dass eine rein hierarchisch organisierte (Arbeits-)Organisation durch immer dynamischere Rahmenbedingungen zunehmend an ihre Grenzen stößt. Mut zu mehr Selbstorganisation ist daher angezeigt, und das Management eines Alumni-Netzwerkes ist eine sehr gute Gelegenheit, eine grundsätzliche Kompetenz in netzwerkbasierter Zusammenarbeit zu entwickeln und in andere Kontexte der HR- und Führungs-Praxis zu übertragen.
Welcher Trend bewegt Sie zurzeit?
Mencke Surprise, surprise: Der demographische Wandel. Ich weiß, das Thema ist jetzt wirklich nicht hot-off-the-press, aber in meiner Wahrnehmung und sicherlich auch für alle anderen zunehmend schmerzhaft spürbar. Für meine Arbeit mit SAP Alumni Relations heißt das: Wie kann ich „das“ Netzwerk weiter ausdifferenzieren und zum Beispiel gezielt bestimmte Alterskohorten oder Kompetenzprofile adressieren, ohne dass dies auf den generellen Netzwerkzusammenhalt – wir sprechen da ja sehr bewusst von der #SAPFamily – destruktiv einwirkt? Spannendes Thema, und auch dazu werden wir uns im Kompetenzforum ein paar Daten anschauen und Ansätze diskutieren können.
Was möchten Sie den Teilnehmenden Ihres Talks mitgeben?
Mencke “Done is better than perfect!” Wenn man ein Netzwerk wie Corporate Alumni Relations managt, hat man es mit einem sehr fluiden Etwas zu tun, und entsprechend agil muss man darauf einwirken. Daher setze ich „managen“ in diesem Kontext immer gerne in Anführungszeichen. Mit einer übertrieben technokratisch-planerischen Attitüde kommt man beim (Alumni-)Netzwerken nicht weit. Aber nicht falsch verstehen: Natürlich soll man nicht gedankenlos „Drauflos-Netzwerken“. Im Gegenteil sollte man VOR Beginn den gesamten Prozess einmal sauber durchdenken: Was ist unsere strategische Zielsetzung & die „raison d’être“ für das Alumni-Netzwerk, wo liegt überhaupt der Benefit für unsere Ehemaligen, in das Netzwerk zu kommen, wer sind unternehmensintern unsere Stakeholder und Sponsoren usw. – klassisch strategisches Projekt-Management eben. Und dennoch lautet mein Credo: Lieber schnell und dafür etwas kleiner anfangen, als am Reißbrett eine Riesen-Kathedrale zu entwerfen. Dabei ist es ganz wichtig, die Alumni regelmäßig zu ihrer Experience zu befragen und darauf aufbauend die Aktivitäten immer wieder inkrementell anzupassen.
Sie haben einen Doktor gemacht, was (wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann) oftmals mit einem langen Leidensweg verbunden ist – wovon profitieren Sie bei Ihren derzeitigen Herausforderungen am meisten?
Mencke Naja, passioniert, also in der Tat leiden(!)schaftlich, wissenschaftlich zu arbeiten, bedeutet ja, über bislang Unerwartetes zu schreiben und damit unter der notwendigen Bedingung von Unsicherheit. Das muss man natürlich mögen, und ich konnte bei meiner Diss ganz gut verproben, dass ich auf meinen (Leidens-)Wegen grundsätzlich lieber die offene See vor mir habe als das rettende Ufer. Corporate Alumni Relations ist in der HR-Praxis noch über weite Strecken terra incognita, und wenn man nun ein neues Thema auf zudem eher neuen Wegen, nämlich dem Netzwerk-„Management“, in eine (Formal-)Organisationeinführen will, kann es nicht schaden, derlei Pionierarbeit an früherer Stelle bereits ein wenig trainiert zu haben. Dazu kommt, dass ich inhaltlich zu einem Themenkreis rund um „Vertrauen in (den Netzwerken) der Gesellschaft“ promoviert habe, welcher sich sehr nahe an dem bewegt, was ich mit SAP Alumni Relations heute in der konkreten Unternehmenspraxis mit Leben füllen darf, und das begreife ich in der Tat als manifesten Vorteil und ein Stück weit auch als ein Privileg.
Was war Ihr bisher größtes Learning?
Mencke Philosophisch & strategisch: „Nur die Narren zweifeln nicht.“ (etwas frei nach Bertrand Russell) Heißt für mich: Kein Learning kann so groß sein, dass die neuen Fragen dahinter nicht noch größer sein können – und es recht häufig auch sind. Klingt vielleicht etwas fatalistisch, aber ist bis heute mein „Battle Cry“, wenn es darum geht, Dinge auf den Weg zu bringen, bei denen man sich eigentlich noch etwas mehr Trittsicherheit wünschte. Praktisch & taktisch: Das immense Commitment zum ehemaligen Arbeitgeber, welches man in Alumni-Netzwerken messen kann und wie massiv dieses in aktiven Netzwerken weiter skaliert. Das hätte ich bei all meinem „Bias“ und Enthusiasmus für das Thema so wirklich nicht erwartet. Wir schauen uns das im Februar gemeinsam an.
Was weiß fast niemand über Sie?
Mencke Ich bin begeisterter, wenn auch kein begnadeter Heimwerker. Spaß machts mir trotzdem – oder vielleicht auch gerade deshalb. Bertrand Russell lässt grüßen …
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Dr. Elias Güthlein.
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