Evidenz To Go: HR-Software einführen?

Das richtige HR-Tool gibt es (nicht)

Steigende Preise, demografischer Wandel und eklatanter Arbeitskräftemängel: Zurzeit erleben alle Unternehmen ähnliche Herausforderungen. Kein Wunder, dass sie versuchen, transaktionale HR-Aufgaben zu skalieren und transformationale Tätigkeiten auszubauen. Doch warum scheitern so viele Unternehmen daran, HR-Tools innerhalb von Ziel , Termin- und Budgetvorgaben einzuführen?

Das Problem

Laut einer Studie der IT-Beratung ISG (2021) wollen 57 Prozent der befragten Unternehmen bis 2023 eine SaaS- oder hybride Lösung im HR-Management einführen. Mit Vorprojekten, aufwendigen Vendor-Selection-Prozessen sowie Implementierungs- und Lizenzkosten dürfte das jeweils Kosten im sechs- bis siebenstelligen Bereich verursachen. Eine ganzheitliche Change-Begleitung tut not. Umso ärgerlicher ist es, wenn die Einführung Jahre dauert und am Ende doch nicht die erhofften Ergebnisse erzielt.

Die Wissenschaft

Wie wichtig ist das „richtige“ Tool? Mögliche Erfolgsfaktoren zeigt eine Metastudie von Bondarouk, Parry & Furtmueller (2016): Ihre Analyse von 69 Studien zur Einführung von HR-Software ergab, dass menschliche und organisationale Faktoren ähnlich bedeutsam sind wie die Auswahl eines passenden Tools (vgl. Zhou et al. 2022).

Zu den menschlichen Einflussfaktoren gehören – neben der Unterstützung durch das Topmanagement und der Kommunikation zum Tool – die IT-Fähigkeiten der HR-Mitarbeiter*innen. Erfolgskritische organisationale Rahmenbedingungen seien dagegen Planungs- und Projektmanagementroutinen sowie die operative Klarheit im Umgang mit IT-Sicherheit und Datenschutz. Auch die Verankerung von systemischem Denken in der Organisation, die Nutzung agiler Methoden sowie die ausdefinierte Governance entscheiden, ob die Tool-Einführung die gewünschten Ergebnisse erzielt (Thite / Sandhu 2014).

Die Praxis

Ist es also egal, welche HR-Software genutzt wird, solange sie den Zweck erfüllt und die „weichen“ Rahmenbedingungen stimmen? Jein. Denn obwohl nicht allein erfolgsentscheidend, stehen nach Bondarouk, Parry & Furtmueller (2016) Benutzungsfreundlichkeit, geringe Komplexität der Technologie und Kompatibilität mit anderen Tools in gleichem Maße in positivem Zusammenhang mit den erwarteten Vorteilen.

Häufige Fallstricke bei der Systemeinführung in der HR-Praxis sind:

  • Unklarheit über Verantwortlichkeiten für einzelne Bereiche: Alle Beteiligten wollen mitreden und plötzlich weiß niemand, wer zum Beispiel für den Recruiting-Prozess Ende-zu-Ende verantwortlich ist. Es empfiehlt sich, vor Beginn einer Tool-Einführung das gesamte Portfolio von HR-Produkten – auch derer, die nicht direkt in der HR-Abteilung angesiedelt sind – transparent zu machen.
     
  • Unklarheit über Rollen und Verantwortlichkeiten: Da plötzlich standardisiert werden soll, was über Jahrzehnte individuell ausgehandelt wurde, stolpern Unternehmen mitten in der Softwareentwicklung über die Frage, bei welcher Führungsebene welche Entscheidung eigentlich angesiedelt ist. Abhilfe schaffen klar definierte Verantwortlichkeiten über das gesamte Unternehmen hinweg. Vor allem ist das Einvernehmen bis hin zur obersten Führungsebene darüber wichtig, dass diese Standards flächendeckend angewendet werden.

Insgesamt ist zu beobachten, wie ähnlich die Herausforderungen rund um die Einführung von HR-Software tatsächlich sind. Von der Ausgestaltung der Schnittstellen, der Einbindung von Betriebs- und Personalräten über die Kommunikation und Befähigung bis hin zur kontinuierlichen Weiterentwicklung des Systems nach dem Go-live unter Realbedingungen – Organisationen können viel voneinander lernen. Die wichtigste Empfehlung lautet deshalb: Unternehmen sollten sich austauschen, wann immer und so transparent es geht.


Literatur

Bondarouk, T. / Parry, E. / Furtmueller, E. (2016): Electronic HRM: four decades of research on adoption and consequences, in: The International Journal of Human Resource Management, 28 (1), 1-34

ISG (Hg.) (2021): 2021 survey on industry trends in HR technology and service delivery; www.isg-one.com/docs/default-source/default-document-library/2021-industry-trends-in-hr-tech.pdf

Thite, M. / Sandhu, K. (2014): Where is my pay? Critical success factors of a payroll system – A system life cycle approach, in: Australasian Journal of Information Systems, 18 (2), 149-164

Zhou, Y. et al. (2022): e-HRM: A meta-analysis of the antecedents, consequences, and cross-national moderators, in: Human Resource Management Review, 32 (4)
 

Der Fachartikel erschien zuerst in unserem Fachmagazin PERSONALFÜHRUNG 12/2022–01/2023.

Autorin: Amelie Stegmüller, Beraterin bei HRpepper Management Consultants, Berlin

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