Leadership Fiction: Vom Football zum Fußball
Führungskräfte wachsen mit (ungewohnten) Aufgaben
Menschen lernen nicht nur durch Erfahrung, sondern auch durch Beobachtung und Imitation. Albert Bandura, Mitentwickler der sozial-kognitiven Lerntheorie, fand in seiner Forschung heraus, dass das Vorbild selbst nicht anwesend sein muss – es kann beispielsweise auch in einem Film gezeigt werden. Unsere neue Kolumne „Leadership Fiction“ nutzt fiktive Figuren aus TV-Serien, Filmen oder Romanen, um über Führung zu lernen. Zum Auftakt geht es um die Apple+-Serie Ted Lasso.
Stell dir vor, du wirst als Führungskraft für einen Fachbereich eingestellt, von dem du keine Ahnung hast. Dein Team soll schnell erfolgreich sein, aber niemand glaubt, dass du es schaffst. Lust auf den Job? Ted Lasso aus der gleichnamigen Apple+-Serie schreckt diese Ausgangssituation nicht ab. Der ehemalige Footballcoach wird aus den USA nach England geholt, um dort im Verein AFC Richmond Fußball zu coachen, eine Sportart, die er nicht kennt. Man begegnet ihm erst mit viel Ablehnung, doch seine charismatische Art und sein besonderer Führungsstil machen ihn schnell beliebt und erfolgreich – obwohl er kein fachliches Know-how besitzt.
Leadership Lesson #1: Konzentriere dich auf die Menschen – die Performance wird folgen.
Ted ist nicht nur ein unverbesserlicher Optimist, sondern ein Menschenfreund. Er glaubt daran, dass in jedem Spieler Potenzial steckt und dass es sich um gute Menschen handelt. Er konzentriert sich daher anfangs kaum auf Spieltaktiken oder hartes Training, sondern darauf, seine Spieler kennenzulernen und ihre Bedürfnisse zu verstehen. Ein Beispiel ist sein Umgang mit dem neuen Spieler Sam Obisanya, der aktuell keine überzeugenden Leistungen liefert. Ted findet heraus, dass Sam sich in England allein fühlt und seine Heimat Nigeria vermisst. Daraufhin organisiert er zu Sams Geburtstag eine Party mit dem Team in der Umkleidekabine, bei der Sam die Lieblingssüßigkeit aus seiner Kindheit geschenkt bekommt. Die Gruppe feiert zusammen, obwohl sie gerade ein Spiel verloren hat. Sams Leistungen verbessern sich im Laufe der Zeit. Ted agiert stärkenorientiert: Er ermutigt seine Spieler, sich nicht zu sehr auf ihre Fehler zu konzentrieren, sondern ihr Potenzial auszuschöpfen.
Leadership Lesson #2: Gib mehr, als du nimmst.
Ted versteht seine Trainingstätigkeit als Beziehungsarbeit. Er ist sich nicht zu schade, viel in Beziehungen zu investieren, ohne direkte Gegenleistungen zu erwarten. So stellt er einen anonymen Kummerkasten für das Team bereit. Dieser wird eher belächelt, und neben Beleidigungen landet nur ein echtes Feedback darin: Der Wasserdruck in den Duschen sei zu gering. Ein paar Tage später ist das Problem verschwunden. Ein weiteres Beispiel ist die von Ted erfundene Tradition „Biscuits with the Boss“, nach der er der Besitzerin des Vereins, Rebecca, regelmäßig Kekse backt, um mit ihr ins Gespräch zu kommen. Obwohl Rebecca die Kekse öfter ablehnt – sie ist anfangs kein Fan von Ted –, bleibt er dran. Mit der Zeit baut die Chefin eine Beziehung zu Ted auf, sodass ein erfolgreiches Führungsteam aus den beiden wird.
Leadership Lesson #3: Inspiriere dein Team.
Zugegeben, sie sind manchmal etwas pathetisch, aber die Reden, die Ted vor seinem Team hält, inspirieren wirklich. Er hat verstanden, dass Inspiration und Kommunikation essenziell sind, um das Team auch nach Niederlagen zu motivieren. Sein Schlüsselnarrativ ist der Glaube an sich selbst und der Optimismus, den es braucht, um die Hoffnung auch in schwierigen Zeiten nicht zu verlieren. Denn Erfolg ist eine Momentaufnahme: Nach einer Reihe von Siegen kann immer eine Niederlage kommen. Ein Team muss sich regelmäßig transformieren, um Schritt zu halten. Seine Reden helfen dabei, indem sie motivieren und verbinden.
Leadership Lesson #4: Nimm Emotionen ernst und nutze sie.
Ted nutzt seinen Humor, um spannungsgeladene Situationen zu lösen und in Beziehung zu gehen. Seine Pressekonferenzen sind dafür ein gutes Beispiel: Er schafft die Gratwanderung von Ernsthaftigkeit gegenüber der Aufgabe und Lockerheit, indem er sich selbst nicht zu ernst nimmt. Ein zweites Führungstool ist seine Verletzlichkeit. Ted entwickelt sich im Laufe der Serie vom reinen Optimisten zu einem Menschen, der durchaus sensible Seiten zulässt. So erlebt er mehrfach Panikattacken, die er erst nicht einordnen kann. Nach und nach lernt Ted mit seinen negativen Emotionen umzugehen, und er zeigt seine Verletzlichkeit dem Team gegenüber, was ihn zu einem Vorbild für Ehrlichkeit und Menschlichkeit macht. Das beweist Resilienz.
Leadership Lesson #5: Führe nicht allein.
Auch wenn Ted die wichtigste Figur der Serie ist, führt er nicht allein. Neben seinem Coach Assistant „Coach Beard“, der eher für die Fußballexpertise und taktische Arbeit zuständig ist, sucht er sich immer wieder Personen, denen er teilweise Führungsaufgaben anvertraut. So übt die Spielerfreundin Keeley emotionalen Einfluss auf Teile der Mannschaft aus. Ted fragt sie um Rat bezüglich der Bedürfnisse der Spieler und bindet sie in die Mannschaft ein. Gleiches gilt für Nate, der sich eigentlich um die Ausstattung der Spieler kümmert, aber großes taktisches Talent besitzt. Ted baut ihn zu einem weiteren Coach Assistant auf.
Ted Lasso ist der Prototyp für transformationale Führung. Er fördert sein Team, inspiriert und motiviert, handelt vorbildlich und regt immer wieder dazu an, neue Wege zu geben. Er zeigt kein Ego-Gehabe, das wir bei vielen vermeintlich starken Führungsvorbildern vorfinden. Fazit: Sehr witzig, sehr unterhaltsam und lehrreich!
Johanna Voigt, Corporate-Learning-Beraterin und Führungskräfteentwicklerin bei HRpepper, Berlin
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