"Optionen, um die man uns beneidet“
Rheinmetall-Personalvorstand Peter Sebastian Krause zur Balance zwischen zivilem Geschäft und Defence-Bereich
Das Rüstungsgeschäft von Rheinmetall macht 70 Prozent des Konzern-Umsatzes aus, im Jahr 2025 könnten es 80 Prozent sein. Peter Sebastian Krause, Personalvorstand und Arbeitsdirektor, sieht darin eine Chance, die Transformation des zivilen Geschäfts zu bewältigen. So setzt Rheinmetall auf Investitionen im Rüstungsbereich wie den Bau von Rumpfmittelteilen der F‑35A in Nordrhein-Westfalen und den Ausbau seiner Munitionsfertigung. Rheinmetall macht ungeahnte Sprünge in Arbeitgeber-Rankings. Beim Thema Retention will Krause mit seinem HR-Team deutliche Verbesserungen erzielen.
Peter Sebastian Krause ist seit 1. Januar 2017 Personalvorstand und Arbeitsdirektor der Rheinmetall AG. Nach dem Zweiten juristischen Staatsexamen begann er 1989 seine Laufbahn bei einer europäischen Arbeitgebervereinigung. Bevor Krause 1997 zur Pierburg GmbH wechselte, einer Tochtergesellschaft des Rheinmetall-Konzerns, war er von 1992 an für die Unternehmerschaft Niederrhein / Krefeld tätig. Im Juli 2007 wurde er Personalvorstand der Kolbenschmidt Pierburg AG (heute Rheinmetall Automotive AG). Im Januar 2014 ernannte ihn Rheinmetall zum Generalbevollmächtigten.
Herr Krause, der Begriff der „Zeitenwende“ von Kanzler Olaf Scholz hat für kaum ein Unternehmen so nachhaltig positive Folgen wir für Rheinmetall. Was unterscheidet aktuell Ihre Personalarbeit von der anderer Personalchefs- und ‑chefinnen?
Peter Sebastian Krause: Wir wachsen sehr stark. Es gibt wohl nur wenige Unternehmen, bei denen das Thema Personalakquise derzeit so im Vordergrund steht wie bei uns. Das, was mit dem Begriff Zeitenwende verbunden ist, prägt unsere Personalarbeit und unsere Personalorganisation in einer Form, wie es in den letzten zwanzig Jahren nicht der Fall gewesen ist. Wir konzentrieren uns in ganz starkem Maße darauf, dass wir im Employer Branding und bei der Talent Acquisition so aufgestellt sind, dass wir die Personalbedarfe des Geschäfts bedienen können.
Was heißt das personalorganisatorisch betrachtet?
Krause: Wir mussten sehr genau überprüfen, ob wir mit unserer Dezentralität in der HR-Organisation noch richtig aufgestellt sind, um das Wachstum adäquat begleiten zu können. Wir haben schon vor ein paar Jahren das Recruiting zentralisiert und beim Employer Branding darauf gesetzt, mit der Marke Rheinmetall in die für uns relevanten Märkte zu gehen. Wir haben also eine zentral gesteuerte globale Beschaffung, die operativ vernetzt ist mit unseren HR-Satelliten in den jeweiligen strategischen Märkten. Das ist der entscheidende Schlüssel, um mit dem stark gestiegenen Interesse des Arbeitsmarkts klarzukommen und dieses Interesse erfolgreich zu spiegeln gegen unsere weltweiten Vakanzen. Das war für uns im HR wirklich ein Change-Prozess.
Veränderung der Automobilzulieferung
Das heißt aber nicht, dass es keine anderen Themen bei uns gibt. Das Thema Kapazitätsausbau bezieht sich in ganz starkem Maße auf das Rüstungsgeschäft. Wir haben daneben aber auch die Transformation unseres zivilen Geschäfts zu bewältigen, der Automobilzulieferung. Dieses Geschäft verändert sich massiv. In dieser Hinsicht haben wir sehr ähnliche Themen wie andere Unternehmen in Deutschland auch. Aber – und das freut uns – wir haben daneben durch den Ausbau des Rüstungsgeschäfts Optionen im Umgang mit unserem Personal, die konzerninterne Angebote zum Wechsel möglich machen.
Das starke Wachstum des Rheinmetall-Konzerns seit 2021 trifft auf einen Arbeitsmarkt, der vielfach von einem Mangel an Fachkräften gekennzeichnet ist. Droht Personal bei Rheinmetall zu einem Engpass- oder gar Risikofaktor zu werden?
Krause: So würde ich das nicht beschreiben. Für uns ist das Thema Personalbeschaffung im Moment ein Erfolgsfaktor, weil es uns tatsächlich gelingt, das, was wir für unser Wachstum brauchen, auch zu realisieren. Wir haben es hinbekommen, dass wir in ausreichend großem Umfang von Menschen angesprochen werden, die sich für unsere offenen Stellen interessieren. Vor vier Jahren hatten wir in Deutschland ein Echo in einer Größenordnung von rund 30 000 Bewerbungen jährlich ausgelöst, inzwischen sind wir so weit, dass wir im Jahr 2023 allein in den ersten drei Quartalen etwa 80 000 Bewerbungen in Deutschland hatten. Bis zum Jahresende werden es 100 000 sein. Im weltweiten Maßstab hat sich die Situation sogar noch stärker entwickelt.
Trotz eines schwieriger gewordenen Arbeitsmarkts in Deutschland haben wir derzeit eine Situation, dass wir die Beschaffungszeiten verkürzen konnten. Inzwischen sind wir bei einer Beschaffungszeit von durchschnittlich 85 Tagen, im letzten Jahr waren es noch 87 Tage. Das sind Verbesserungen im kleinen Stil, aber wir sind deutlich besser als der Benchmark. Wenn man speziell auf Engineering-Positionen oder auf IT- oder Softwarespezialisten-Positionen schaut, dann ist die Time-to-Fill zwar etwas länger, aber wir können nahezu jeden Bedarf bedienen, den das Geschäft bei uns einspielt.
Sprünge beim Arbeitgeber-Ranking
Durch den Ukraine-Krieg und Deutschlands Aufrüstungsprogramm sei Rheinmetall zum Börsenliebling von Anlegern geworden, schreibt Focus online. Wie zufrieden sind Sie mit aktuellen Arbeitgeber-Rankings von Rheinmetall?
Krause: Nach den jüngsten Rankings von Universum, bei der über 12 000 Young Professionals befragt wurden, sind wir in Deutschland im Bereich Engineering das erste Mal auf Rang 13. Da waren wir vor fünf Jahren noch unter ferner liefen, irgendwo im hinteren Mittelfeld. Das ist ein toller Erfolg. Unser Anspruch ist es, auch in anderen Rankings, wie etwa für IT oder Business, in Zukunft unter den attraktivsten Arbeitgebern vertreten zu sein. Das sind für uns Veränderungen, über die wir uns enorm freuen, weil das natürlich einhergeht mit einer generell veränderten Sichtweise auf das, was wir tun und wer wir sind. Das ist für unsere Mitarbeitenden extrem motivierend, weil wir uns über viele Jahre dafür rechtfertigen mussten, was wir tun.
Worauf führen Sie diesen Wandel zurück?
Krause: Hier kommen verschiedene Dinge zusammen. Wir haben uns als integrierter Technologiekonzern aufgestellt, der zu dem steht, was er tut und der sich der öffentlichen Diskussion stellt. Wenn Sie sehen, mit welcher Intensität insbesondere unser CEO sich jeder Frage stellt, die an Rheinmetall adressiert wird, dann ist das eine recht plausible Erklärung dafür, warum das Interesse an uns so groß geworden ist. Daneben gibt es eine veränderte Wahrnehmung der Sinnhaftigkeit dessen, was mit unserem Tun verbunden ist. Wir sind über Social Media intensiv vernetzt und dort in einer Form sichtbar, die es uns erlaubt, über das zu reden, was Rheinmetall macht, welche Optionen wir als Arbeitgeber bieten und wie interessant Rheinmetall für Menschen ist, die technologisch fordernde Rollen suchen oder schnell in Führungsrollen oder Verantwortung sonstiger Art kommen wollen.
Technologisch mögen Sie breit aufgestellt sein, aber inzwischen werden 70 Prozent des Umsatzes von Rheinmetall im militärischen Bereich erzielt…
Krause: Es gibt ein sehr starkes Wachstum beim Bedarf an Defence-Produkten aus unserem Haus, das geht bis 2025 sogar in Richtung einer Relation von 80 Prozent Defence-Geschäft zu 20 Prozent zivilem Geschäft. Das ändert aber nichts daran, dass es bei uns nach wie vor extrem interessante Aufgabenstellungen auch im zivilen Geschäft gibt. Wir setzen uns ganz intensiv auseinander mit dem Thema Wasserstoff, wir nutzen den Ausstieg aus der Verbrennertechnologie, um uns in der Peripherie der rein elektrischen Antriebe erfolgreich zu behaupten. Wir haben Pilotprojekte in Bezug auf Bordstein-Ladestationen für rein elektrisch gefahrene Automobile mit der Stadt Köln. Wir sind darüber hinaus beim Thema teleoperatives Fahren unterwegs. Wir haben trotz der Verschiebung weiterhin diese technologische Bandbreite und sind damit eine hochinteressante Adresse für Menschen, die in den genannten Feldern ihre Zukunft sehen.
Personalkosten und Regulation
Wie wollen Sie wettbewerbsfähig auf dem Arbeitsmarkt bleiben und zugleich Ihre Personalkosten steuern?
Krause: Wir haben einen gedrehten Arbeitsmarkt, und das merken wir in Bezug auf den Personalaufwand pro Kopf sehr genau. Wir sind dafür sehr sensibel, weil wir in einem hoch kompetitiven Marktumfeld unterwegs sind. Wir versuchen dem gerecht zu werden, indem wir völlige Transparenz darüber herstellen, wo wir in Bezug auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Personalkosten im Vergleich stehen, sowohl im Tarif- als auch im außertariflichen Bereich. Auf dieser Basis gehen wir dann in die Diskussion mit dem jeweiligen Management und den Mitarbeitenden zu der Frage, was wir uns an Effizienzsteigerungen zutrauen in denjenigen Wertschöpfungsprozessen, die wir intern steuern; und darüber, was wir uns glauben leisten zu dürfen in Bezug auf Wertschöpfungsprozesse, die wir im Haus halten wollen. Wir sind ein Industriekonzern, das darf man an dieser Stelle nicht vergessen. Wir haben in großem Stil eigene Wertschöpfung mit Fabriken, in denen wir selbst produzieren. Und deshalb ist dieser Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit der Kostenstruktur ein ganz wichtiger. Wir sind ein Unternehmen, das seine Personalkosten in großem Umfang tarifgebunden organisiert. Umso wichtiger ist es, alle Optionen zu nutzen, die Kostenstrukturen standortspezifisch weiterzuentwickeln.
Stichwort Wettbewerbsfähigkeit: Die Klagen von Unternehmen über ein hohes Maß an Bürokratie in Deutschland werden lauter. Was bemängeln Sie als Personalvorstand?
Krause: Im klassischen Themenfeld der Arbeitnehmerschutzrechte haben wir gelernt, mit dem regulatorischen Rahmen gut klarzukommen. Dort sehe ich nicht, dass wir in einem über das Akzeptable hinausgehenden Maße bürokratischen Spielregeln unterworfen sind. Was mir aber Sorge macht, ist, dass neben dem regulativen Rahmen für Arbeitnehmerschutz inzwischen gesellschaftspolitische Themenstellungen in die Unternehmensinnenwelt getragen werden, die uns zwingen, einen Aufwand im Reporting zu betreiben, den wir so bislang nicht kannten. Das heißt nicht, dass wir nicht den gesellschaftspolitischen Ansatz verstehen können, der beispielsweise zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz oder zu dem führt, was auf europäischer Ebene in Bezug auf ESG-Aktivitäten vorgesehen ist. Für uns ist es jedoch ein Kraftakt, mit den damit verbundenen Reporting-Verpflichtungen fertigzuwerden.
Einerseits verstehen Sie die gesellschaftspolitischen Hintergründe der Vorgaben, andererseits ist der Umsetzungsaufwand hoch. Gibt es Alternativen zum herrschenden Regulierungsmodus?
Krause: Was dabei für die deutsche Industrie ein guter Weg wäre, da machen sich im Moment sicher andere viel intensiver Gedanken als wir. Allerdings fragen wir uns schon, ob etwa die gesetzlichen Berichtspflichten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes in diesem Umfang nötig sind, obwohl wir ein Sozialpartnerabkommen mit der IndustriALL Global Union in Genf abgeschlossen haben in Bezug auf die Frage, wie wir mit unserer eigenen Belegschaft weltweit umgehen. In dem Abkommen werden viele Aspekte adressiert, die auch im Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz adressiert werden. Wir haben uns in klarer Form zu Vorgehensweisen verpflichtet, die es erlauben, eine Bewertung vorzunehmen, welche Standards bei uns weltweit gelten sollen.
Dem Thema Retention widmen
Es gibt ein großes Bewerberaufkommen in Ihrem Konzern. Gleichzeitig steigt aber nach der Pandemie die Zahl derjenigen, die ihren Job von sich aus kündigen. Wie erklärt sich dieser Widerspruch?
Krause: Mit einer durch Eigenkündigungen verursachten Fluktuation von um die fünf Prozent liegen wir im Korridor der Unauffälligkeit im industriellen Vergleich. Und wenn ich sie mit unserer eigenen Situation in den Jahren vor Corona vergleiche, dann liegt sie im Range dessen, was bei uns üblich war. Wenn ich mir das Leben einfach machen wollte, dann würde ich sagen, keinerlei Auffälligkeiten, kein Grund für irgendwelche Aktivitäten. So ist es aber nicht!
Wir nehmen wahr, dass wir ein bisher nicht bekanntes Phänomen haben: Dass uns nach Corona Mitarbeitende in den ersten zwölf Monaten ihrer Tätigkeit häufiger verlassen. Das ist ein Punkt, der uns sehr stark beschäftigt. Neben dem Aspekt, dass jetzt eine Generation in den Arbeitsmarkt geht, die zum Thema Bindung womöglich eine etwas andere Einstellung hat, stellen wir uns konkret die Frage, ob es uns im Zuge der Pandemie und danach schlechter gelingt, neu eingestellte Mitarbeitende an uns binden.
Mobiles Arbeiten war ein fantastischer Schlüssel, um während der Pandemie überhaupt arbeitsfähig zu bleiben, und es ist auch jetzt nicht mehr wegzudenken. Wir müssen aber auch so ehrlich sein und sehen, dass es nicht mehr wie selbstverständlich gelingt, neue Leute gut in betriebliche Abläufe zu integrieren und sie intern zu vernetzen. Mit diesem Aspekt setzen wir uns sehr intensiv auseinander. Neben dem Thema Mitarbeitendengewinnung ist das Thema Retention inzwischen klar in unserem Fokus. Wir haben unsere Exit-Interviews überprüft und verfeinert, und wir nutzen die Mitarbeitendenumfrage jetzt in weitaus stärkerem Maße, um Rückmeldungen zu dem Thema zu bekommen.
„Cross Moves“ begleiten
Eine weitere Zahl ist auffällig: die zuletzt stark gestiegenen konzerninternen Versetzungen. Wie organisiert HR diese Prozesse in einem Konzern, bei dem der Technologietransfer zwischen den Segmenten eine zentrale Rolle spielt?
Krause: Hinter der Zahl verbergen sich im Wesentlichen zwei Phänomene: Wir haben bestimmte Konzernfunktionen zentralisiert, um die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass wir dem Geschäft standardisierte Prozesse auf einem verbesserten Niveau zur Verfügung stellen können. Das hat dazu geführt, dass wir im HR Rollen etwa im Recruiting und in der IT in die Holding gezogen haben. Allein damit ist ein hoher Personalaufbau in der Holding verbunden. Darüber hinaus gibt es eine gewisse Anzahl sogenannter Cross Moves, um für eine stärkere personelle Bewegung zwischen den Divisionen zu sorgen, also durch gezielte Versetzungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von der einen in eine andere Gesellschaft. Damit haben wir auf der Führungsebene begonnen, was dann auch auf der Ebene der Mitarbeitenden zu sichtbaren Effekten geführt hat.
Wie flankiert HR diese Personalbewegungen?
Krause: Im ersten Schritt haben wir den konzerninternen Arbeitsmarkt von Rheinmetall in digitaler Form organisiert. Wir haben in unserem Intranet einen Marktplatz geschaffen, in der jede Funktion, die es zu besetzen gilt, sichtbar gemacht wird; und zwar mit der klaren Botschaft, dass es willkommen ist, wenn sich jemand für eine solche Funktion interessiert und das kundtut. Um sicherzustellen, dass das Ganze akzeptiert wird, ist zweitens eine aktiv begleitende Rolle durch HR wichtig. Wer Interesse an einer neuen Funktion hat, kann sich bei HR melden, damit wir eine Chance haben, mit dem Geschäft zu klären, inwieweit ein solcher Weggang realisiert werden kann. Wir versuchen, auf Basis eines Bewerberinteresses zu klären, ob ein solcher Schritt machbar ist – und wenn ja, innerhalb welcher Zeit und unter Einhaltung welcher Spielregeln.
Bei unseren Führungskräften gehen wir anders vor. Bei diesen steuern wir interne Bewegungen im Rahmen der konzerninternen Nachfolgeplanung ganz bewusst, indem wir uns als Vorstand bezogen auf eine definierte Anzahl von Führungsfunktionen alle 18 Monate ein Bild machen und klären, wo wir bei unserer Nachfolgeplanung stehen und was nächste sinnvolle Schritte für die Führungskräfte sein könnten. Wir spiegeln so die Situation bei bestimmten Stellen auf der Leitungsebene gegen das Potenzial, das wir im Haus haben.
Die Bereitstellung gemeinsamer HR-Prozesse und ‑Instrumente in einem divisional und international aufgestellten Konzern wie Rheinmetall gehört mit zu Ihren strategischen HR-Zielen. Wo setzen Sie hier Prioritäten mit welchen Zielen?
Krause: Im ersten Schritt muss sich HR einen sehr genauen Blick darüber verschaffen, welche der Prozesse, die das HR-Geschäft prägen, im Unternehmen tatsächlich global und in standardisierter Form verfügbar sein sollen. Meine Erfahrung ist, dass HR ein lokal geprägtes Geschäft ist und dass es selbst in einem Konzern nur eine maximal an zwei Händen abzuzählende Anzahl von HR-Prozessen gibt, die wirklich in einheitlicher Form weltweit verfügbar sein müssen – und dann am besten in digitalisierter Form.
Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, dass für uns Personalprozesse strategisch entscheidend sind, die sich um die Themen Nachfolgeplanung, Talentmanagement und erfolgsabhängige Vergütungssysteme für den Managementkreis drehen. Das sind unsere strategischen Personalprozesse, die es wert sind, standardisiert und digitalisiert zu werden im Rahmen einer global funktionierenden IT-Infrastruktur. Wir haben eine weltweit funktionierende Nachfolgeplanung nach ein und demselben Muster. Wir haben eine Potenzialanalyse, die wir für bestimmte Zielgruppen im ganzen Konzern einheitlich machen. Wir haben einen globalen Talentpool, den wir managen, und diesbezüglich definierte digitale Personalprozesse.
Das Gleiche gilt für unsere erfolgsabhängigen Vergütungssysteme für den kompletten Führungskreis. Darüber hinaus gibt es eine weitere Themenstellung, die ähnlich zu sehen ist: das Recruiting. Auch da haben wir die Erfahrung gemacht, dass wesentliche Teile des Recruiting-Prozesses in standardisierter Form ein Erfolg versprechender Faktor der Personalarbeit sind. Und dann wollen wir auch die schon angesprochenen Exit-Interviews in standardisierter Form global durchführen mit der Option, diese standardisiert auszuwerten.
Vielfältigkeit der Transformation
Was bedeutet für Sie als Personalchef von Rheinmetall Transformation ganz konkret?
Krause: Wir erleben Transformation sehr vielfältig. Das eine ist, dass wir als ein Unternehmen, das in Deutschland und Europa groß geworden ist, versuchen müssen, uns global zu etablieren. Die andere Transformation prägt meine Arbeit als Arbeitsdirektor im Moment noch viel deutlicher: Wir haben auf der einen Seite ein vom Rüstungsgeschäft getriebenes Wachstum und die Internationalisierung. Und wir haben auf der anderen Seite den Umbau in unserem zivilen Geschäft. Das eröffnet die Chance, dass wir in Bezug auf die Transformation des zivilen Geschäfts Optionen nutzen, die sich aus dem Geschäft mit den militärischen Kunden ergeben. Das ist eine Situation, um die uns mancher beneidet, weil sie es uns prinzipiell ermöglicht, dass Menschen in ein und demselben Konzern aus Arbeit heraus wieder in eine neue Arbeit kommen. Dabei bin ich mir absolut bewusst, dass das im Alltag gar nicht so einfach zu realisieren ist. Für viele ist Mobilität nur vorstellbar in relativ engen Radien. Es ist also viel Überzeugungskraft nötig.
Können Sie uns ein konkretes Beispiel geben?
Krause: Der Ausstieg aus der Verbrennertechnologie ist für das „Autoland“ Deutschland und die hier gewachsenen Strukturen längst noch nicht bewältigt. Wir gehören zu den wenigen, die derzeit in Deutschland Kapazitäten in der Produktion aufbauen. So bauen wir in Nordrhein-Westfalen ein neues Werk für die Produktion des Mittelteils der F‑35A. Das ist unser Einstieg in ein neues Geschäftsfeld, für das wir 400 Beschäftigte suchen, davon zirka 350 im Bereich Blue Collar. Auch dieser Schritt könnte Optionen schaffen für diejenigen, die von der Transformation der Automobilzulieferung betroffen sind.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führten Ralf Steuer und Rainer Spies
Das Interview erschien zuerst in unserem Fachmagazin PERSONALFÜHRUNG 12/2023 - 01/2024.
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